Dienstag, 12. Januar 2010

Die gute, alte Zeit!



Liebe Pastas und Andersgläubige,

das Weihnachtsfest und der Jahreswechsel sind vorüber, ein neues Jahr hat begonnen.
Wie habt Ihr denn Weihnachten verbracht? Vielleicht mit der Familie? Oder was von ihr übrig geblieben ist?


Meine letzte Oma ist im Sommer 2009 mit 96 Jahren gestorben. Mein Opa und meine andere Oma sind schon seit 15 Jahren tot.
Als ich Kind war, gehörten die Grosseltern natürlich immer dazu. Und wahrscheinlich gilt das für viele unserer Leser auch heute noch.


Den Grosseltern (und teilweise auch den Eltern) haftet ja immer so ein wenig die Aura der Weisheit und der Lebenserfahrung an und vieles, was sie uns erzählen, wird von uns respektiert und natürlich auch geglaubt.
Aber sicher kennen die meisten auch die Standard-Phrasen der älteren Generation.

Die eine ist die Phrase von der "guten, alten Zeit" und die andere ist der ständig wiederkehrende Satz: "Früher war alles besser!"


Tja, als 12jähriger Lausbub glaubte ich das auch, denn was Oma und Opa sagten, hatte immer Gewicht.
Als ich älter wurde und zufällig begann, mich für Geschichte zu interessieren, bot sich plötzlich die Gelegenheit, diese Aussagen zu überprüfen.

Die Geschichte ist nach wie vor eines meiner Hobbys, vor allem die des gerade zu Ende gegangenen 20. Jahrhunderts. Auch im Fernsehen verpasse ich kaum eine Geschichts-Doku, die das Leben und die "Blütejahre" unserer Eltern und Grosseltern behandelt.


Was meinen Oma und Opa also, wenn sie von der "guten, alten Zeit" sprechen?
Was bedeutet in diesem Zusammenhang die Eigenschaft "gut"?


War es gut, dass die Menschen damals ca. 60 Stunden in der Woche (inklusive dem Samstag) arbeiten mussten und dabei gerade soviel verdienten, dass sie nicht verhungerten?
War es gut, dass die Arbeitnehmer keinerlei Rechte hatten und - je nach Laune des Arbeitgebers - jederzeit eingestellt und gefeuert werden konnten?

War es gut, dass die durchschnittliche Lebenserwartung unter 50 Jahren lag?

War es gut, dass der allergrösste Teil der hart schuftenden Bevölkerung mit einer 8 - 10köpfigen Familie (manchmal noch mehr) in Wohnungen mit maximal 2 - 3 Zimmern hausen musste und sogar so selbstverständliche Dinge wie fliessendes Wasser nur ein Wunschtraum war?


War es gut, dass sie sich dabei ein einziges Klo, das grösstenteils nur ein Donnerbalken im Hof war, mit meist 30 oder mehr anderen Bewohnern teilen mussten?
War es gut, dass "medizinische Versorgung" nahezu ein Fremdwort und sogar die Geburt eines Babys für Mutter und Kind ein lebensgefährliches Abenteuer war?

War es gut, dass die meisten Kinder bereits vor ihrem 1. Geburtstag starben?

War es gut, dass durch die fehlenden medizinischen Kenntnisse schon die kleinste Verletzung oder der harmloseste Virus zum Tode führen konnte?


War es gut, dass die einfachen Menschen absolut nichts zu sagen hatten und jede unerwünschte Meinungsäusserung ins Gefängnis führte?
War es gut, dass die Männer verpflichtet waren, für ihren Herrscher - ob er sich nun "Kaiser" oder "Führer" nannte - widerspruchslos in den Krieg zu marschieren und selbst bei schwerster Verstümmelung nicht einmal Anspruch auf eine Rente hatten?

War es gut, dass Frauen als Menschen 2. Klasse behandelt wurden und die Männer sogar per Gesetz das Recht hatten, sie zu verprügeln?

War es gut, dass auch die Kinder nach Gutdünken der Eltern und Lehrer verprügelt und misshandelt werden durften und meist sogar schon in frühester Kindheit schwere körperliche Arbeit leisten mussten?


War es gut, dass sogar Homosexualität als schwere Straftat galt?
War es gut, dass der Grossteil der Bevölkerung kaum über eine Bildung verfügte, die über das einfache lesen, schreiben und rechnen hinausging?

War es gut, dass der Rang beim Militär grundsätzlich viel mehr galt als die Leistung im Zivilleben?

War es gut, dass man bei Arbeitslosigkeit nur die Wahl zwischen betteln und verhungern hatte?


War es gut, dass man eine körperliche Behinderung als "Strafe Gottes" ansah und daraus die Legitimation ableitete, diese Menschen offen zu diskriminieren und zu missachten?
War es gut, dass die Menschen durch die katastrophalen Arbeitsbedingungen ihre Gesundheit so strapazierten, dass die allermeisten von ihnen nicht einmal das Rentenalter erreichten?

Und war es gut, dass die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung diese Zustände als die "gottgewollte Ordnung" akzeptierten und damit blind und taub durchs Leben gingen?


Das sind ein paar Kleinigkeiten, die mir bei der "guten, alten Zeit" so aufgefallen sind.
Aber vielleicht bin ich da auch viel zu streng und suche hier nur das bekannte "Haar in der Suppe"?

Zumindest kann jeder mal darüber nachdenken, wenn in der Familie wieder von der "guten, alten Zeit" die Rede ist...


Euer Nudelmops

1 Comments:

Anonymous BizzyBeaver said...

Erschreckende Tatsachen, allerdings sollte man hierbei bedenken, dass der Mensch ein gewohnheitstier ist. Diese 'Damals war alles besser'-Menschen sind mit diesem Leben groß geworden. Wir leben sozusagen im Luxus und haben uns an die heutigen Lebensstandards angepasst, weil wir einfach noch nicht so alt sind. Bei ihnen ist das ein wenig anders: Wenn man als kleines Kind in einer solchen Gesellschaft aufwächst, dann gewöhnt man sich an ein solches Leben, das Geschäft im Hof oder der wöchentliche Waschtag ist dann Alltag und normal. Auch konnte man sich damals noch an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen. Damals waren die Menschen noch nicht so wehleidig wie heute. Wenn man diese ganzen Sachen von damals einmal bedenkt und dann unser heutiges Leben anschaut, und wie wir darüber auch noch meckern, dann muss man sich an einem bestimmten Punkt auch einmal an den Kopf fassen.

Die ältere Generation hat sich einfach an ihr Leben von damals gewöhnt und konnte mit dem Technischen und Gesellschaftlichen Fortschritt nicht mithalten. Man muss ja heute auch schon den Alten einen Dokumentarfilm machen, um ihnen einen Fahrkartenautomaten zu erklären.

Damals war alles besser. :-)

1. März 2010 um 10:14  

Kommentar veröffentlichen

<< Home